Introvision oder der Blick auf die eigenartige Welt der Gedanken

Heute ist mir ein äußerst interessantes (wenn auch etwas kompliziertes) Buch in die Hände gefallen, von dem ich unbedingt berichten muss. Die Fragen, um die es geht, sind sehr spannend: Wie ist es möglich den eigenen Bewusstseinszustand zu verändern und innerlich ruhiger zu werden? Wie kann man das Gedankenkarussell stoppen? Was lässt sich tun, wenn man sich ärgert oder einfach nicht entscheiden kann?

Eins kann ich vorweg sagen, einen einfachen Trick gibt es nicht. Und je mehr ich lese, um so klarer wird mir, dass es ziemlich schwer ist, die Methode der Introvision auf den Punkt zu bringen. Aber ich will es versuchen.

Grundlage ist folgende Überlegung: In uns laufen zwei parallele Systeme ab.

System Nr. 1 ist das grundlegende System, das wahrnimmt, denkt, plant, wünscht, handelt usw. Dieses System verarbeitet nur gültige Inhalte, sprich Inhalte, von denen wir glauben ?Ja, so stimmt das mit der Realität überein? und die keine Widersprüche beinhalten. Alle anderen Inhalte werden herausgefiltert und als ungültig markiert. Dieser Prozess kann jedoch auch bei widersprüchlichen, diskrepanten oder fehlenden Informationen hängen bleiben.

In diesem Fall greift System Nr. 2 ein. Dieses System will die Lücke schließen, damit der Prozess weiterlaufen kann. Dies tut es in dem es einen eigentlich ungültigen Inhalt in die Lücke mogelt. Man redet sich etwas ein und tut so, als wisse man die Lösung. Gleichzeitig wird diese Baustelle aber mit einer Anspannung oder einem unangenehmen Gefühl ?markiert? ? ein innerer Konflikt entsteht. Die Suche nach einem neuen, gültigen Inhalt wird blockiert. Somit kommt es zu einem Datenverlust, die Qualität der Informationsverarbeitung nimmt ab. Leider bleibt es dann meist nicht bei dem einmaligen notfallmäßigen Eingreifen des Systems Nr. 2, sondern das Mogeln wird automatisiert. Aber wir sind ja schlau! Würden wir jetzt einen unwahren Inhalt nach dem anderen zusammenfügen, könnte das auf Dauer zu erheblichen Problemen führen, im schlimmsten Fall unser Überleben gefährden. Also kommt ein weiterer Mechanismus ins Spiel: Eine Stimme wird laut, die uns immer ermahnt, die eigentlich überschriebene Information im Gedächtnis zu behalten. Das das zu innerer Spannung und Diskrepanzen führt und es schwierig macht, Verhalten zu ändern, ist einleuchtend.

Deutlicher wird?s an einem Beispiel:

Ein Esel steht zwischen zwei gleich großen Heuhaufen und ist kurz vorm Verhungern. Er weiß nicht, was zu tun ist, der Prozess stockt. Es wird langsam brenzlig. Der Esel überschreibt also diese Lücke mit der Regel ?nimm den linken Haufen? und geht davon aus, dass dieser Gedanken richtig ist. Er verschließt die Augen davor, dass es auch falsch sein könnte und trabt mit schlechtem Gewissen nach links. Es klappt! Und je öfter er nun in eine solche Situation kommt, um so schneller wendet er sich nach links. Der Esel merkt bald, dass diese Vorgehensweise auch in anderen Situationen hilfreich sein könnte und statt geduldig zu rechnen, was zwei mal zwei ist, nimmt er einfach an, es sei 17. Andere Esel tun es ihm gleich, das Verhalten wird sozial akzeptiert, ja sogar erwünscht.

Oh weh, aber was tut er, wenn er wieder zwischen zwei Heuhaufen steht und der rechte ist deutlich größer und saftiger? System Nr. 1 sagt ganz klar: RECHTS! System Nr. 2 ist nun automatisiert und schreit: LINKS! Folge: Der Esel fühlt sich zwar ganz schlecht dabei und ist sehr angespannt, trottet aber nach links. Das Handeln wird also immer mehr der Realität unangemessen. Das kann gefährlich werden..z.B. wenn junge Esel die ursprüngliche Regel ?Iss keine unbekannten Kräuter? überschreiben mit ?Ach was, iss es einfach mal!? und so an giftige Gewächse geraten. Aus diesem Grund ist in ihrem Hinterkopf immer die Warnung ?Vergiss die alte Regel nicht!!?

Was wäre eine gute Lösung für den Esel, am besten bevor er zu Mogeln beginnt? Er könnte sich eingestehen, dass er nicht weiß, was richtig ist und dann Vermutungen anstellen. Vielleiht links? Vielleicht rechts? Anschließend könnte er herum probieren und beide Heuhaufen testen? Möglicherweise entscheidet er sich im Endeffekt auch für den linken, aber er müsste sich weder einreden, dass das richtig ist, noch die Erkenntnis, dass auch der rechte Haufen die richtige Wahl sein könnte, ausblenden. Es entstünde kein innerer Konflikt, keine Anspannung, sondern unser Esel bliebe gelassen.

Einen ersten Schritt auf dem Weg zur Lösung verspricht also eine Schulung der achtsamen Wahrnehmung. D. h. man übt sich darin, Dinge im Alltag im Sinne von ?Aha, so ist es? einfach mal wahrzunehmen ohne zu werten, ohne zu urteilen, ohne einzugreifen.

Gar nicht so leicht ? glaub ich: Das schreit nach einem Selbstversuch! Ich werde berichten? 🙂

P.S. Das Buch ist von Angelika C. Wagner und heißt ?Gelassenheit durch die Auflösung innerer Konflikte?!

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